«Ich schnitze diese Laterne, Rabimmel, Rabammel, Rabumm»

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Kleine Kinder sind süss und schnucklig.
Klar, auch anstrengend, aber halt auch schnucklig.
Wenn sie grösser werden, ist man manchmal so ein bisschen wehmütig und denkt:

«Hach, wie süss waren sie da, wie herzig und wie sie geredet haben und diese herzigen Schühchen und och und jö.»

Wenn die Kinder älter werden, gibt es aber durchaus auch ein paar Dinge, wo man schampar froh ist, dass man die jetzt nicht mehr tun muss und dass die vorbei sind.
Bei mir war das zum Beispiel:
Wickeln und ständig auf der Hut nach irgendwelchen Windelaktionen zu sein. Brei zu kochen oder in der Nacht immer aufzustehen, den Maxi Cosi rumzuschleppen, aufwändige Kindergeburtstags-Parties zu organisieren, den ganzen Tag nur Globi Kassetten hören zu müssen, immer wieder das gleiche Bilderbuch zu erzählen,
UND:

An “Räbenliechtli”- Umzüge zu gehen.

In der Schweiz so etwas wie eine Tradition.

Wobei die Umzüge ja eigentlich nicht so schlimm sind.
Nein, die sind ok.
In der Kälte mit zwei hungrigen, müden Kindern und einem herzigen Rübenkopf, durch die stockfinstere Nacht zu wandern war immer wieder ein Highlight.
Und wenn man den Umzug von Weitem sieht, dann sieht das ja auch ganz toll und romantisch aus. Nur sieht man ihn selten von Weitem, weil man ja selber mittendrin ist…
Nein, das Unding ist ja nicht der Umzug, wie gesagt, sondern:

DAS SCHNITZEN

Jedes Jahr, wenn ich irgendwo auf einem Papier den Satz:
«Auch dieses Jahr, schnitzen wir mit den Kindern wieder tolle Räbenliechtli» gelesen habe, lief es mir kalt den Rücken runter.
Denn: Wer schnitzt?
Nicht die Kinder, neeein, nein!
Die können nämlich mit ihren kleinen, zarten Fingerlein diese harten klobigen Rüben gar nicht schnitzen.

Und ich habe mich immer gefragt, wer um Himmelswillen bloss auf die Idee mit diesen verflixten Rüben gekommen ist? Gibt es kein Gemüse, das sich zum schnitzen eignet und in das man prima ein kleines Kerzlein stellen kann.
Warum muss es immer diese hartnäckige Rübe sein?

Woher kommt die «Räbenlicht-Tradition»?
Als «Räbenlichter» bezeichnet man im alemannischen Raum eine traditionelle Laterne, gefertigt aus Herbstrüben. (Bezeichnung im alemannischen Sprachraum Räbe).
Rüben nahmen im Mittelalter die gleiche Stellung in der Grundernährung ein wie die heutige Kartoffel. Aus Anlass des Einbringens der letzten Feldfrüchte im November stellen die Kinder in verschiedenen Schweizer Kantonen solche Laternen her.

wikipedia.com[/su_box

In Wirklichkeit sieht es nämlich so aus:

Die Kinderlein möchten schnitzen, können aber nicht, weil diese fiesen Rüben für kleine Kinderhände einfach fast nicht schnitzbar sind.
Aushöhlen und mit den Messern darin rumstochern, das tun dann, mit mehr oder weniger grossem Elan, die Erwachsenen.
Die Kinder rennen in der Zeit, entweder im Zimmer herum, sie nörgeln und quengeln und fragen, wann denn endlich ihr Rübendings fertig sei.
Die Eltern schon leicht genervt, wischen sich den Schweiss von der Stirn und vertrösten die Kinderschar immer auf später:
"Wenn ich die Rübe ausgehöhlt habe, dann darfst du dann lustige Formen ausstechen."
Aber auch das ein Ding der Unmöglichkeit.
Zumindest mit all den Rüben, die ich in den vielen Jahren bearbeiten musste.
Nie und nimmer haben die Kinder das selber geschafft.

Am Schluss, nach Stunden der Quälerei, steckt man dem Kind dann doch noch so ein Ausstech-Herzchen in die Hand, damit es wenigstens auch ein bisschen mitgeholfen hat.
Man drückt also das Herz zusammen mit der kleinen Kinderhand in diese Rübe rein, flucht innerlich, weil es so dermassen umständlich ist und schwört sich wie jedes Jahr:

DAS war jetzt mein letzter Schnitz-Workshop.
Ich kündige, häng meine Räbenliecht-Schnitz Karriere an den Nagel:
Nächstes Jahr sag ich, ich bin krank und dann schick ich einfach die Oma oder den Opa.

Aber nein.
Man will ja dann doch kein Spielverderber sein.
Und so zieht man Jahr für Jahr mit seinen Kindern und den mühevoll geschnitzten Rübenlichtern durch die dunklen Strassen und singt inbrünstig und ununterbrochen das «Räbenumzugs-Lied» mit.

Ich hab die Rübe dann immer extra noch ganz lang vor der Haustüre stehen lassen.Schliesslich hat man unglaublich lange und mit viel Mühe darin rumgestochert.
Das sollen gefälligst auch alle sehen.

Und es war ja dann auch so ein bisschen ein Zeichen an alle die ebenfalls noch im Schnitz-Club mit dabei sind.

Seht her, ich bin auch durch die Räbenschnitz-Hölle gegangen! Ich fühle mit euch, ihr Räbeschnitz Mamis und Papis!

♥ Danke fürs Teilen ♥

3 Kommentare

  1. Petra Cantieni am

    Nicht mehr lange – und auch mein 11 jähriges Räbenschnitz-Karriereende naht ;-)
    Fürs Finale war ich aber besonders clever – konnte für das letzte (und erste) Mal den Papa dafür “begeistern” …hehehehe…. Ich geniesse dann den Umzug, den Umtrunk und das heisse Würstchen am Ende

  2. Stefanie am

    Jaaaaaaaaaaa, das kenn ich! Als Kindergärtnerin musste ich Jahr für Jahr nicht nur schnitzen, sondern den Umzug gleich noch mit planen und organisieren und das 10 Jahre lang! Als Mami von einer 1.5 Jahre alten Tochter bin ich momentan noch verschont und ich freue mich nicht sonderlich darauf dann wieder Räbeliechtli zu schnitzen. Aber was macht man nicht alles für die lieben Kinderchen macht damit sie ein tolles Erlebnis und strahlende Augen haben.

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