«Hallo Normalität, wo bist du?»

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Sind wir mal ehrlich.
Es ist Scheisse.
Dieses Virus.
Diese Situation.
Dieses Jahr 2020.

Manchmal sitzt man da und denkt:
«Hääähh! DAS kann doch einfach alles gar nicht wahr sein! Das ist doch eher der Stoff für einen Katastrophenfilm und nicht für meine Realität. Ich will das nicht. Ich will Frühling und spazieren gehen, Konzerte besuchen, meine Eltern und Freunde treffen, lachen Spass haben. Ich will mir nicht Gedanken machen, ob ich übernächste Woche noch einen Platz in einem Spitalbett bekomme.»

«Hallo Normalität, wo bist du?»

Statt Frühlingsgefühle, Picknick im Park, Ferien im Wohnmobil gibt’s einen Lockdown, Quarantäneregelungen und Infos zum Seuchenschutz.

Diese Katastrophe stellt unser aller Leben dermassen auf den Kopf, dass einem manchmal fast schwindlig wird:
Die Kinder besänftigen, den Teenies und den Eltern/Grosseltern den Ernst der Lage begreiflich machen. Dazu Homeoffice machen, den Haushalt schmeissen, die gute, positive Laune bewahren, natürlich immer die Hände waschen und Abstand halten.
Wahrlich eine Herkulesaufgabe und manchmal möchte man einfach nur dasitzen und heulen.

Das mit dem «Homeoffice» haben wir uns wohl alle ein bisschen einfacher vorgestellt. Zu Hause am gemütlichen Küchentisch sitzen, ab und zu einen Kaffee schlürfen, die Kinderlein sitzen gebannt vor ihren Laptops und lauschen fröhlich dem Schulunterricht und auf dem Herd köchelt ein selbstgemachtes, gesundes Gemüsesüpplein,
Stattdessen gibt es Geschrei, Streit und Zoff, unmotivierte und gelangweilte Kids. In der Wohnung herrscht ein Chaos, der Friseurtermin wurde abgesagt und der Kühlschrank ist auch STÄNDIG leer.

Was wirklich zählt im Leben

Angst und Hoffnung halten sich im Moment so ziemlich die Waage. Hoffnung deshalb, weil es trotz allem so viele neue, tolle Initiativen und Projekte gibt. Die Leute stehen plötzlich zusammen, helfen sich gegenseitig. Ein Ruck geht durch viele Länder, wie man es selten gesehen hat.

Wenn Kontakte plötzlich eingeschränkt oder verboten werden dann merkt man, was wirklich im Leben zählt:
Freunde, Familie, Gesundheit.

Wenn man die Bilder der Intensivstationen sieht, in denen Patienten intubiert auf dem Bauch liegen und deren Leben eigentlich nur noch an der Beatmungsmaschine liegt, dann werden viele, alltägliche Dinge plötzlich unwichtig.
Das Chaos im Teeniezimmer, eine schlechte Note, der Trotzanfall oder schlaflose Nächte:
Was zählt ist einfach nur noch, dass die Liebsten gesund bleiben und dieser Alptraum möglichst schnell vorbei geht.

«Lasst die Blockflöte mal Blockflöte sein!»

Normalerweise schreibe ich hier über Erziehungsthemen, Tipps und Ideen wie man den Alltag mit Kindern und Jugendlichen möglichst harmonisch gestalten kann, doch wie soll man sich auf diese Themen konzentrieren, wenn Fragen im Raum stehen wie:
«Hat es genug Beatmungsgeräte und wie viele Menschen werden an dem Virus sterben»

Auch wenn es lobenswert ist, wenn wir hier jetzt täglich Listen schreiben, Aufgaben verteilen und untertänigst hoffen, dass sich unsere Kids auch an alle Abmachungen und Regeln halten.
Denkt daran: Wir befinden uns hier und jetzt in einem absoluten Ausnahmezustand. Sich nicht austoben zu können, sich nicht mit Freunden treffen zu dürfen, keinen normalen Alltag mehr zu haben – das zerrt nicht nur an unseren «Erwachsenen-Nerven» sondern auch an denen der Kinder. Es gibt in diesen Tagen wirklich Schlimmeres, als wenn sie halt mal eine Aufgabe auslassen, sich lieber bei NETFLIX einloggen als bei der Hausaufgaben App oder nicht Blockflöte üben.
Seid da nicht zu streng. Klappt es mal nicht, dann versucht es am nächsten Tag einfach wieder. Ist es grundsätzlich schwierig, dann setzt euch mal mit den Kids zusammen, holt sie MIT INS BOOT und versucht gemeinsam eine Lösung zu finden.
Stellt Fragen und Gegenfragen:
«Wie wollen wir das lösen? Was braucht ihr, damit das klappt? Habt ihr eine Idee, wie wir diesen Konflikt vermeiden können?»

Beziehungsarbeit ist in dieser schwierigen Zeit fast noch wichtiger, als die Einhaltung des aufgestellten Zeitplans. Zusammen kochen, mal wieder ein Spiel spielen, im Garten oder auf dem Balkon Kräuter pflanzen, gemeinsam einen Film schauen oder vor dem TV eine Yogastunde machen, mit FaceTime, Zoom, Microsoft Teams oder mit Skype mit den Grosseltern oder den Freunden chatten. Regelmässig Pausen einschalten, um sich auszutauschen, das sind Dinge, die jetzt gut tun und genau so wichtig sind.

«Das gab es seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr.»

Himmel Herrgott!
Eigentlich wollen wir doch nicht Dinge erleben, die es seit 1939 nicht mehr gab oder wenn, dann höchstens positive.
Aber jetzt stecken wir Mittendrin in dieser Extremsituation
Wir sind gefordert und das heisst auch, dass wir nicht zu hohe Anforderungen an uns und unsere Kinder stellen sollten. Es ist völlig normal, wenn nicht alles rund läuft.

«Ich will mein altes Leben zurück!..»

Ich geb’s zu: Mich kackt es so was von an, dass mein Fitnesscenter geschlossen ist, dass ich kein Konzert, keine Kinovorstellung und kein Restaurant mehr besuchen kann.
Ja, ich möchte reisen, Spass haben, ausgehen, mich mit Freunden und der Familie treffen. Ich möchte im Sommer wieder an Open-Airs gehen, am See ab und zu ein Glas Wein trinken, ich möchte shoppen gehen, mit dem Zug zur Arbeit fahren.
Ich möchte mein Leben leben, so wie ich es die letzten Jahre getan habe.

Ich hadere im Moment echt mit dieser Situation und unseren Kids geht es da nicht anders.

Vielleicht geht es euch ähnlich. Manchmal ist man fast einer Ohnmacht nahe, man muss sich kneifen, weil man immer wieder denkt:
«Nein, das hier ist doch nicht der Film OUTBREAK. Das hier, ist mein Leben, das ich so sehr liebe und das doch bitte einfach so weiterlaufen soll, wie ihm Jahr 2019.»

Wir alle haben das, was sich hier im Moment abspielt unterschätzt. Wir haben stets gedacht:
«Ach, das trifft die armen Chinesen. Selber Schuld, wenn sie halt Fledermaus-Suppe essen…»
Aber jetzt trifft es uns – mit voller Wucht und wir wissen nicht, wohin das alles noch führt. Ob und wie wir alle das heillos überstehen, aber:
Wir müssen es zumindest versuchen.

Wir müssen ALLES in unserer Macht Stehende tun.

In der Krise beweist sich der Charakter eines Volkes

Es muss uns gelingen, diese grandiose Katastrophe zu verlangsamen. #flattenthecurve, die Kurve flach halten, ist das Motto der letzen Wochen. Es dürfen nicht zu viele Menschen auf einmal krank werden, denn sonst kollabieren unsere Gesundheitssysteme, egal in welchem Land wir uns befinden. Ärzte müssen dann nämlich über Leben und Tod entscheiden.

Fast 60 000 Menschen folgen Elternplanet auf Facebook. Und ich bin mir bewusst, dass hier eine gewisse Verantwortung liegt.
Noch nie war es so schwierig die richtigen Worte und eine gute Balance zu finden.
Infos, Tipps, Aufmerksamkeit erregen. Nicht zu viel, dass es nervt, aber auch nicht zu wenig, dass es rüber kommt, als würde man es ignorieren wollen. Und ab und zu, soll man ja auch noch ein bisschen schmunzeln können…

Manchmal hoffe ich einfach nur, dass alles nur ein böser Traum war. Dass wir alle aufwachen und so weiterleben können, wie bisher.
Aber das wird nicht gehen.
Die Welt ist nicht mehr die gleiche.
Alles ist fragiler geworden.
Endlicher.
Die Welt dreht sich ein bisschen langsamer. Vielleicht ist uns allen auch wieder bewusst geworden, dass wir hier nur für eine beschränkte Zeit, Gast sind.

Werte wie Respekt, Solidarität, Zusammenhang, Nächstenliebe, Empathie und Nachbarschaftshilfe haben plötzlich wieder ein Gesicht bekommen. Wir erleben plötzlich am eigenen Leib was es heisst, sich zu kümmern, und einen Schritt zurück zu stehen.
Zu Hause passieren Dinge, die man so, vorher kaum gesehen hat. Die Teenies gehen plötzlich von sich aus mit dem peinlichen Einkaufswagen einkaufen, sie wollen UNO spielen, räumen ihre Zimmer auf oder kochen das Nachtessen.
Auch das Wort «Demut» hat in unserem Wortschatz wieder vermehrt Einzug gehalten und plötzlich verstehen wir auch was damit gemeint ist.
Gesund, ohne Angst, in Sicherheit leben. Das ist alles, was Menschen möchten, egal in welchem Teil der Welt.
Bis jetzt war das bei uns ziemlich problemlos möglich. 
Doch nun hat unser Leben plötzlich Risse bekommen. Es ist nicht mehr alles selbstverständlich. 

Nur mit Demut lernt man Menschen zu achten

Vielleicht ist es genau das, was unsere Welt gebraucht hat?
Dass wir entschleunigen, uns wieder auf das Wichtige besinnen, dass wir zusammen stehen, uns helfen unterstützen und und gegenseitig Mut zusprechen.

Hoffen wir, dass diese Lektion nicht umsonst ist.

♥ Danke fürs Teilen ♥

Ein Kommentar

  1. Angela Schmid Joly am

    Einfühlsame Worte!Danke Elternplanet für den Zuspruch und Mut.

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