“Seit mein Kind im Kindergarten ist, erkenne ich es kaum wieder!”

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Ein bisschen Wehmut schwingt meistens schon mit, wenn das Kind das erste Mal in den Kindergarten marschiert.
(Bei uns in der Schweiz ist das so zwischen 4 und 5 Jahren).

Für viele Eltern ist dieser Ablösungsschritt gar nicht so einfach.
Man muss sich wieder ein bisschen neu orientieren, den Tag etwas anders einteilen und man wird sich bewusst:

Mein Kind wird gross und grösser und selbstständiger

Ein Wechselbad der Gefühle und doch überwiegt meistens die Freude für diesen neuen Lebensabschnitt.
Ein Abenteuer beginnt, das Kind betritt eine neue Welt, knüpft neue Freundschaften, geht hinaus ins Leben.
Doch dieser Schritt passiert oft ganz und gar nicht lautlos.

“Seit mein Kind im Kindergarten ist, erkenne ich es kaum wieder!”

Diese Beobachtung machen fast alle Eltern und berichten dann online von ihren frechen und aufmüpfigen Kindern.
“Mamis, ich brauche eure Hilfe! Seit meine Tochter im Kindergarten ist, ist sie sooo frech und macht nur noch was sie will!”
“Ich drehe hier noch durch. Mein Sohn, brüllt die ganze Zeit nur noch herum, haut mich und seinen Bruder, wenn er vom Kindergarten nach Hause kommt.”
“Ich weiss nicht mehr was ich tun soll, mein Kind ist total aggressiv und ich hab keine Ahnung was ich dagegen tun soll!”

Dabei hat man es sich doch schön vorgestellt:

Am morgen: Ein bisschen mehr Ruhe und Zeit. (Mit keinem oder nur noch einem Kind ist das ja ziemlich easy…)
Am Mittag: Das Kindlein kommt fröhlich und aufgestellt nach Hause. Man isst zusammen (bekommt noch ein Kompliment fürs Kochen) und am Nachmittag, spielt es dann wie ein Engel. Das hat es doch jetzt schliesslich im Kindergarten gelernt.
Am Abend: Das Kindlein ist glücklich aber auch müde und erschöpft und schläft sofort nach dem Gute Nacht Kuss ein.

Doch die Realität sieht ganz anders aus.

Die Kinder brüllen, sind aggressiv, laut, wild. Hören tun sie sowieso “nie mehr”, hat man zumindest das Gefühl. Sie befehlen, hauen, schimpfen, fluchen und wüten, dass man selber manchmal ausflippen könnte.

Vielleicht habt ihr jetzt die ganze Zeit ganz heftig mit dem Kopf genickt und gedacht:
“Jaaaaa genau! SOOOO ist es bei mir zu Hause auch! Dann ist das also normal?
Und nun? Was kann ich dagegen machen?”

Ich sag’s euch: Weiter lesen!

Hier kommen ein paar Tipps und Tricks für «freche» Kindergartenkids

lotta ist blöd, frech sein, kindergarten, kindergartenkind, aufmüpfig,

Lotta ist blüd – Und Mama und Papa auch…

Bleibt einfach mal gaaanz ruhig und überlegt euch, welche neuen Eindrücke, Bilder und Situationen euer Kind im Moment verarbeiten muss.
Falls euer Kind nicht vorher schon in der Kita oder bei einer Tagesmutter war, hatte es wahrscheinlich nur 1-2 und immer die gleichen Bezugspersonen. Der Tagesablauf war immer etwa ähnlich, die Anzahl der Kinder im Umfeld war überschaubar.

Im Kindergarten werden die Kinder plötzlich mit vielen neuen Eindrücken konfrontiert

Eine andere Lehrerin/Bezugsperson, ganz viele neue, laute, wilde Kinder, neue Spielsachen, man muss zuhören und mithelfen, sich einordnen, teilen, sich mit anderen arrangieren. Man muss manchmal auch Dinge tun, die man nicht so gerne macht, freundlich sein, seine Gefühle unter Kontrolle behalten, man muss singen und basteln, warten und sich an viele neue Dinge gewöhnen.
Das ist anstrengend, ermüdend, manchmal auch nervig, langweilig und voll doof.
Wir Erwachsenen fühlen uns manchmal in neuen, ungewohnten Situationen ähnlich. Doch wir können das alles besser einordnen, wir wissen was von uns erwartet wird, können versuchen diese Erwartungen zu erfüllen und Mittel und Wege zu finden, damit wir unseren Frust unsere Enttäuschung, Müdigkeit und unser Unwohlsein angemessen äussern können.
Deshalb kommen wir Erwachsenen auch von der Arbeit nach Hause und liegen nicht als Erstes gleich auf den Boden wälzen uns, brüllen laut, spucken oder schreien den Partner an.
Meistens zumindest. ;-)
Kinder geraten oft in die Situation, in denen sie mit ihren kommunikativen Fähigkeiten überfordert sind. Deshalb greifen sie ganz automatisch auf “nonverbale” Möglichkeiten zurück.
Das heisst:
Sie schreien, brüllen, boxen, hauen, beissen, schlagen, spucken.
Damit versuchen sie ihre Wünsche und Gefühle zu äussern. Zugegeben, das ist nicht sehr angenehm und bringt uns Eltern ganz oft an den Rande eines Nervenzusammenbruchs.
Wenn die Kinder noch ganz klein sind, dann passiert diese Art der “Kommunikation” natürlich noch öfters. Wenn sie grösser werden. lernen sie immer besser über ihre Gefühle zu sprechen und ihre Wünsche angemessen zu äussern.
(Bis sie dann in die Pubertät kommen und alles beginnt wieder von vorne… :-)

Kinder haben noch keine richtig ausgereifte Impulskontrolle

Im Gegensatz zu uns Erwachsenen – wollte ich eigentlich gerade mit gutem Gewissen schreiben. Aber das stimmt so eigentlich auch nicht ganz. Es gibt ganz viele Erwachsene, die das ebenfalls nicht so gut können….

Was bedeutet das?
Erst ab ca. sechs Jahren können Kinder ihr impulsives Verhalten relativ gut und zuverlässig kontrollieren. Aber auch da gibt es natürlich Unterschiede. Einigen gelingt es schon ein bisschen früher, andere sind diesbezüglich vielleicht noch etwas im Rückstand.
Die Frage ist auch:
Hatten die Kinder schon oft die Möglichkeit ihre Impulse zu trainieren?

Im Alltag ist es leider ganz oft so, dass wir Eltern aus Gewohnheit, Bequemlichkeit alle Wünsche immer und sofort erfüllen.
Also wer nie trainiert, wer nie mal einen kurzen Moment warten und seine Bedürfnisse kurz zur Seite schieben muss, der wird sich auch nicht so gut beherrschen können.
Wenn Kinder happy, satt, ausgeschlafen und rundum zufrieden sind, dann ist es auch ok, wenn sie ab und zu in einer Situation “das Warten” kurz üben müssen.

Viele Kinder kommen oft erst im Kindergarten damit in Berührung und sind es sich gar nicht gewohnt, dass sie mal nicht grad an die Reihe kommen oder nicht als erstes grad ihr Lieblingsspiel spielen können.
Diesen Frust müssen sie dann den ganzen Morgen versuchen auszuhalten und wenn sie nicht schon im Kindergarten ausflippen und wütend werden, dann tun sie es dann eben meistens zu Hause, im gewohnten Umfeld.
Und das ist dann eben sehr anstrengend und wir reiben uns dann oft verwundert die Augen und denken:
“Was um Himmelswillen ist mit unserem Kind los?!”

Auch wenn Kinder diese Impulskontrolle vielleicht schon üben konnten und sie diese auch schon recht gut beherrschen: Dass sie ab und zu ausser Rand und Band sind passiert trotzdem immer wieder.

Es gibt ein paar Dinge, die ihr tun könnt, damit ihr diese Situationen einigermassen gut übersteht:

1. Tief durchatmen!

Wie oben bereits erwähnt:
Dieses Verhalten ist ganz normal, kommt fast in allen Familien vor. Ihr müsst also das Kindlein noch grad nicht beim Psychologen anmelden und auch nicht im Wald aussetzen…
Schon das Wissen, dass es normal ist und auch woher es kommt, hilft in den meisten Fällen schon, dass man es etwas ruhiger angehen kann.

2. Beobachten

Damit man angemessen auf ein Problemverhalten reagieren kann, muss man zuerst einmal genau wissen, WANN es denn auftaucht und WOHER es kommt.
Deshalb ist es wichtig, dass ihr genau hinschaut:

Flippt das Kind immer dann aus, wenn es vom Kindergarten nach Hause kommt?
Dann hat es vielleicht einfach Hunger (oder hat sich vorgestellt, was es zu Essen gibt und es wurde enttäuscht), Ist es müde und ausgelaugt oder es hatte vielleicht Zoff auf dem Schulweg.

Ist es aggressiv, wenn der kleine Bruder in der Nähe ist?
Dann geht wahrscheinlich um Eifersucht, um Anerkennung, um fehlende Aufmerksamkeit.

Sagt euch euer Kind immer wieder, dass es euch doof findet, ihr weg gehen sollt? Ist es aggressiv und laut?
Ganz oft befindet man sich in diesem Fall in einer Negativspirale drin. Das heisst, man ist selber laut und ungerecht, man schimpft viel, redet noch mehr und ist fast nur noch in negativem Kontakt mit dem Kind. Wenn Kinder sich “daneben” benehmen, dann bekommen sie ganz oft sehr viel Aufmerksamkeit, aber eben fast nur noch für das negative Verhalten. 
Kinder spiegeln unser Verhalten und deshalb ist es wichtig, dass wir bei uns anfangen, wenn wir das Verhalten der Kids ändern wollen.

Und nicht vergessen:
Nicht immer ist alles nur negativ. Manchmal verliert man nämlich auch ein bisschen den Blick fürs Wesentliche. Man hat das Gefühl, dass “alles” schief laufe, das Kind sich “immer” daneben benimmt, “ständig” nur laut unzufrieden ist. Wenn man genau hinschaut, dann merkt man, dass das gar nicht zutrifft.
Wichtig ist, den Blick auch wieder für die guten, positiven Dinge zu schärfen um am am Abend sagen zu können: “Das Glas war halb voll” und nicht “halb leer.”

3. Sich Zeit nehmen

Kinder brauchen dann unsere Aufmerksamkeit und Zuwendung besonders, wenn es schwierig ist. Deshalb nehmt euch diese Zeit, auch wenn ihr vielleicht das Gefühl habt, die Kinder würden sie im Moment nicht “verdienen”.
Macht mal wieder etwas gemeinsam (vielleicht eben auch mal nur mit einem Kind), nehmt euch ganz bewusst während des Tages immer Mal wieder kurz Zeit. Vor allem dann, wenn die Kinder euch etwas fragen oder euch etwas zeigen wollen. Ganz oft sind wir nämlich mit so vielen Dingen beschäftigt, dass wir sie immer und immer wieder vertrösten. 
Auch am Abend ist ein guter Zeitpunkt, sich bewusst Zeit zu nehmen – denn ihr wisst ja:
Erziehung ist “Be-ziehung”.

4. Die Erwartungen überdenken

Mit dem Eintritt in den Kindergarten steigen ganz oft auch die Erwartungen an die Kinder. Und das ganz plötzlich, also quasi von einer Woche auf die andere.

“Du bist doch jetzt kein Baby mehr!”
“Das kannst du doch jetzt selber!”
“Du bist jetzt gross und das können die Anderen alle auch schon!”

Diese zu erfüllen ist für die kleinen Knirpse nicht immer ganz einfach. Vor allem dann, wenn die Kinder vorher lange gar keine Möglichkeit dazu hatten. Wenn sie gewisse Dinge noch nicht so gut können, dann erledigt es nicht einfach für sie.
Befehlt ihnen aber auch nicht, es von einem Tag auf den Anderen jetzt selber zu machen.
Leitet sie an, ermutigt und bestärkt sie, gebt ihnen Hilfestellungen und “helft ihnen, es selbst zu tun”.

5. Entschleunigen

Die Umstellung vom “Leben als Kleinkind zu Hause” zum Leben als “Kindergartenkind”, ist für viele ganz gewaltig. Der Lärmpegel ist hoch, das Tempo auch. So viele Dinge gilt es zu beachten, es gibt viele Anweisungen und Anforderungen zu erfüllen.
Versucht zu Hause dieses Tempo wieder etwas auszugleichen.
Kinder wollen auch mal nur ein bisschen “sein”, kein grosses Programm, nicht zu viel Rambazamba.
Fördern ohne zu überfordern und ohne immer mit anderen zu vergleichen.

6. Einen Schritt zurück stehen

In schwierigen und nervigen Situation ist man als Eltern ganz häufig zu “nah” an den Kindern dran. Weniger ist da manchmal mehr.
Wenn nötig, besprecht mal in Ruhe ein paar Regeln und Abmachungen, lasst sie aber dann auch mal ein bisschen in Ruhe.
Das kleine Teufelchen,
welches uns manchmal auf der Schulter sitzt und immer und immer wieder seinen Kommentar abgeben muss, das nervt nämlich einfach nur…. ;-)

7. Rituale einführen

Eine spezielle Begrüssung machen, die schlechte Laune ins WC spülen, ein kleines Lied singen, ein paar Mal auf und ab hüpfen und den Schul- und Kindergartenstress abschütteln… usw.

8. Oooooohhhhmmm

Hilft immer. Und überall.
Dazu ein bisschen Kaffee und Schoggi.
Manchmal auch ein Glas Wein.
Oder ein bisschen Sport machen.
Oder ein Wellnesswochenende
Oder alles zusammen.

Es wird besser.
Versprochen.

Bis zur Pubertät…

 

(Anmerkung: In der Schweiz beginnt der Kindergarten mit 4, resp. 5 Jahren).

♥ Danke fürs Teilen ♥

3 Kommentare

  1. Gisela J. am

    Hallo zusammen.

    Unser Schatz (5) ist seit August im kindergarten. Den pädagogen dort ist wohl auch aufgefallen, dass alles zu viel input für ihn ist und er das irgendwie noch nicht so ganz verarbeiten kann.

    Wie ich hier lese ist das wohl normal. Sie meinten er solle doch die nächsten 2 wochen nur jeden 2. Tag kommen und nach den herbstferien gibts ein gespräch mit ihnen und den Heilpädagogen wie man ihm helfen könnte.

    Ich weiss nicht was ich davon halten soll. Irgendwie find ich es ja super dass man gleich unterstützung findet auf der anderen seite wird ja heute soo viel gleich als ,,auffällig,, diagnostiziert.

    Was meint ihr dazu?
    Liebe Grüsse Gisela J.

  2. Natalja Ostankov am

    Hallo, ich finde den Artikel sehr schön, vor allem weil die Tips darauf zielen, Verständnis für die Kinder aufzubringen und seine Erwartungen herunter zu fahren. Das und eine kleine Portion Geduld machen das Mama-Sein um einiges leichter ;) Ich mache mir viele Gedanken über das Leben mit Kindern (ich schreibe auch einen Blog darüber: natfusch.wordpress.com) und gebe mir sehr viel Mühe, ein gutes Vorbild zu sein (und keine dieser negativ-Spiralen zuzulassen…) Vielen Dank für diesen Artikel mit seinen wertvollen Tips!

  3. Hallauer am

    Oh wie wahr !! Kenne die Situation als Mama , im Freundeskreis und als Kgin.
    Eingewöhnung im Kg , Eindrücke und da sind da noch 20-24 andere Kinder , die auch an die Reihe kommen wollen,,…
    … und auch das Aufeinandertreffen von über 20 anderen Familiensituationen, Regeln des Umgangs miteinander , Wortwahl, …

    Ganz schön viel … und dann möchte Mama noch alles vom Kg Halbtag , wissen , obwohl ich doch wissen sooooo müde bin , endlich für mich sein möchte und nicht mit meinen Geschwistern spielen will ,für mich spielen möchte -was ich will,…
    nur ruhig Blut , pendelt sich ein und ist weiterhin Tagesform abhängig. Seufzg,…
    Gute Nerven ,durchschnaufen,.

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