Dass in Zeitungen und Magazinen mit Fotos getrickst wird, ist ja nichts Neues. Kaum ein Model hat mittlerweile noch irgendeine gewisse Ähnlichkeit mit einem normalen Menschen im entsprechenden Alter. Porzellangesichter, ohne das allerkleinste Fältchen, mit Zähnen so weiss wie der Milchschaum eines Latte Macchiato, grinsen uns von allen möglichen Plakatwänden oder aus Modeheftchen an. Obwohl wir wissen, dass diese Bilder nicht annähernd der Realität entsprechen, fressen sie sich immer etwas mehr in unser Gedächtnis und unseren Verstand. Man möchte halt auch gerne ein bisschen perfekter, schöner, toller, falten- oder pickelfreier sein, wenn man ständig diese Bilder vorgesetzt bekommt.
Mit dem Einzug der Smartphones und Plattformen wie Facebook oder Instagram, kommt nun noch eine neue Dimension dazu: Nicht nur Topmodels und Hollywood-Schauspielerinnen gaukeln uns wunderbare Schönheit vor, sondern plötzlich tun das auch ganz normale Frauen. Mit Hilfe von ganz vielen tollen Apps, lassen sich problemlos Pickel, Augenringe oder Fältchen wegwischen. Nasen verkleinern, Augen vergrössern, die Taille schlanker ziehen oder die Beine verlängern. Mit diesen Fotos buhlen die meist sehr jungen Frauen in den Sozialen Netzwerken um Aufmerksamkeit und Likes.
Followerzahlen und Likes sind die neue Währung
Nur wer viele Herzchen und Anhänger sammeln kann, gehört dazu. Instagram-Stars werden reihenweise geboren und verdienen dank lukrativen Deals mit Firmen, Kosmetik- oder Kleiderlinien sehr viel Geld. Ganz nach dem Motto: Immer top gestylt, top bearbeitet. Mittendrin natürlich auch die vielen jungen Bloggerinnen / YouTuber und YouTuberinnen. Sie unterstützen den Hype ums tolle Aussehen, indem sie mehrmals pro Tag ihre bearbeiteten Bilder hochladen und den Kids so suggerieren: du siehst einfach immer toll aus. Sogar direkt nach dem Aufstehen oder nach einem langen Tag. Hashtags wie #nofilter oder #beyourself #benatural sollen dann den Mädchen und Jungs vorgaukeln, dass man sich selber lieben soll und vor allem NATÜRLICH bleiben soll.
Verkehrte Welt.
Wirklich.
Diese Entwicklung hat ausserdem dazu geführt, dass Jugendliche bei Instagram-Wettbewerben wie «Hot or Not», über «schön» oder «hässlich» entscheiden. Jeder der Lust hat, stellt sich einfach ein Bild mit ein paar (meistens) Mädchen aus seinem Freundeskreis zusammen, lädt dieses Bild dann hoch und fragt mit einem Smiley: «Na? Wer ist Hot und wer Not?» Wer aussieht wie ein normales Teenager-Girl geht leer aus oder wird mit Häme oder heuchlerischen Sätzen wie: «Sorry, du bist sicherlich ganz nett, aber meine Stimme geht leider nicht an dich», abgestraft. Die «hässlichsten» Mädchen fallen dann der Reihe nach weg, bis am Schluss das «Schönste» gekürt und wieder mit viel Likes, Herzchen und virtueller Anerkennung belohnt wird.
Vergleichen? – Ja, aber wie?
Auch wir haben uns in unserer Jugend mit den Stars aus der BRAVO verglichen, wollten aussehen wie Madonna oder Kim Wilde. Doch hatten wir niemals diesen Stress, so perfekt zu sein, wie es die heutigen Jugendlichen sein müssen. Oder glauben, es sein zu müssen. Kaum ein Teenie, lädt ein normales Bild von sich auf Snapchat oder Instagram mehr hoch. Mit Apps wie «Retrica» können die Fotos bereits vor dem Abdrücken so «getunt» werden, so dass sie einfach perfekt aussehen. Filter lassen die Haut heller, die Augen klarer erscheinen. Und hat’s dann doch mal noch ein paar Pickel oder Augenringe, bearbeitet man das Bild vor dem Hochladen einfach noch ein bisschen mit «Facetune».
Die meisten Eltern kriegen von diesen virtuellen Schönheitswettbewerben oft nichts mit. Sie finden hinter verschlossenen Kinderzimmer-Türen statt. Aufmerksam werden Eltern meistens erst, wenn sie einen Artikel darüber lesen oder ihre Kinder sich plötzlich nur noch mit der Frage: «Warum bin ich so dick, so hässlich? Warum sind alle anderen viel schöner als ich?» konfrontiert werden.
Was kann man tun?
1. Ein gutes Vorbild sein
Auch wenn sich unsere Teenie-Kinder nicht mehr in erster Linie an uns Erwachsenen orientieren, können wir trotzdem unsere Vorbildfunktionen immer mal wieder etwas überdenken.
Wie sehen MEINE Facebook-Profilbilder aus?
Muss mein Gesicht wirklich so stark weichgezeichnet und mit einem Filter versehen sein?
Wäre ein bisschen mehr Natürlichkeit nicht auch ok?
2. Mit Kindern und Jugendlichen das Gespräch suchen
Irgendwann kommen unsere Kids unweigerlich mit den Sozialen Netzwerken in Kontakt. Und genau dann hören viele Eltern oft auf, sich zu kümmern. Viele kennen die Online-Spielplätze nicht mehr, wissen nicht, wo sich unsere Kinder virtuell austauschen und verabreden. Sie verlieren ihre Kids in der virtuellen Welt einfach aus den Augen.
Dabei wäre es so wichtig, dass wir genau jetzt da sind. Hinschauen, zuhören, Fragen stellen, uns kümmern, diskutieren, austauschen. Sprecht mit euren Kindern über die «Macht der Bilder». Lasst euch diese Apps mal zeigen, bearbeitet zusammen mal ein paar Bilder bis zur Unkenntlichkeit. Sprecht über Vor- und Nachteile und was das dauernde Posten von perfekten Bildern für Konsequenzen haben kann.
3. Keine Panik verbreiten und nicht mit Verboten reagieren
Natürlich sind Eltern oftmals schockiert, wenn sie als «Anfänger» in diese virtuellen Welten eintauchen.
Moralpredigten und Verbote helfen da aber nicht weiter. Es ist wichtig, unsere Kinder auf diese virtuelle Herausforderung vorzubereiten. Wir wollen unsere Kids zu verantwortungsvollen Menschen erziehen und genau deshalb müssen wir sie begleiten, ihnen Wege und Möglichkeiten aufzeigen, wie sie sich in der realen Welt aber auch in der virtuellen Welt zurechtfinden können.
Natürlich wollen sich alle möglichst von der besten Seite zeigen – und ab und zu mit ein paar kleinen Tricks nachzuhelfen ist ja auch nicht verwerflich. Hier ein gutes Mittelmass zu finden, ist eine grosse Herausforderung, bei der wir unsere Kids unterstützen müssen.
4. Viel positive Aufmerksamkeit schenken
Auch wenn sie es nicht so gern zugeben: auch Kinder und Jugendliche mögen es, wenn sie immer mal wieder ein positives Feedback bekommen. Wenn wir sie schätzen, motivieren, anerkennen und ihnen immer wieder sagen, dass wir sie lieb haben und toll finden.
Wer in der realen Welt regelmässig positive Zuwendung bekommt, der kann auch in der virtuellen Welt besser mit Lob aber auch Kritik umgehen. Kinder, die in ihrer Freizeit viele spannende Beschäftigungen haben, werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt. Deshalb: Motiviert eure Kinder für verschiedene Freizeitaktivitäten, für Sportvereine, Wochenjobs, für Pfadi oder für Angebote in Jugendtreffs.
Am besten beginnt ihr früh genug damit. Also noch bevor sie in die typische Teenager «Kein-Bock-auf-alles»-Lethargie verfallen.
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit «enter», dem Ratgeber für digitale Medien.
Die Ausgabe «Hier und jetzt» stellt vier Themen ins Zentrum:
Wie sind wir gute Vorbilder?
Wie finden Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene in der Informationsflut passende Informationen und zwar in nützlicher Frist?
Was bedeutet Big Data im Familienalltag?
Und wie entstehen aus Fakten aus dem Internet Lösungen in unseren Köpfen?
Der Ratgeber ist kostenlos.
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