Ja die Welt ist ungerecht.
Der Nachbar hat den grösseren Garten, die fetteren Goldfische, das schönere Auto.
Der Chef verdient mehr Geld, seine Frau hat die glatteren Haare, der Bruder hat ein Wohnmobil, die Schwägerin den flacheren Bauch.
ALLE haben irgendetwas Besseres, Schöneres, Tolleres, als man selber. Auch wir Erwachsenen können damit nicht immer gleich gut umgehen. Neid, Missgunst, Eifersucht, manchmal sogar Mord und Totschlag sind die Folge.
Ok, in den meisten Fällen können wir Grossen das einigermassen gut einordnen, denn nicht alles was nach MEHR und BESSER aussieht, ist es automatisch auch. Den grösseren Garten muss man mehr mähen, die fetteren Fische brauchen mehr Futter und vielleicht auch mehr Pflege, mehr Kohle heisst auch mehr Steuern zahlen usw.
Bei Kindern funktioniert es etwas anders.
Wer mehr hat und mehr darf, der ist automatisch im Vorteil und ist einfach besser dran. Die Kinder quittieren das dann oft mit:
“Das ist fies, ALLE haben das, ALLE dürfen das. Einfach wirklich ALLE – nur ICH nicht.”
Manchmal untermauern sie diese Aussagen noch mit einem tollen Trotzanfall oder mit einem wahrlich sehr anstrengenden Pubertätsschub und wir Eltern sind dann entweder einem Nervenzusammenbruch nahe, verstricken uns in Erklärungen oder geben dann halt dem Frieden zu liebe immer mal wieder nach.”
Wie um Himmelswillen kann man denn vernünftig “Nein” sagen, dass es nicht immer gleich ausartet?
Ich bin mal etwas in mich gegangen und habe versucht ein paar wichtige Dinge zusammenzufassen, also passt mal auf:
1. Gut vorausplanen
Bevor ihr irgendwo hin geht, sprecht mit euren Kids kurz über das “Wie lange, Wo, Wer, Wann und über das Wie?” Ein paar Abmachungen und Regeln verhindern, dass man die Kinder in der Situation mit seinen Anweisungen überrascht und sie dann austicken, weil sie sich eben etwas Anderes vorgestellt haben.
“Was brauchen wir?”
“Was müssen wir einkaufen?”
“Was passiert beim Spielzeugregal?”
“Wie lange bleiben wir zu Besuch?”
“Gehen wir mit dem Auto oder zu Fuss?”
Das alles sind wichtige Infos, die man den Kindern vorher geben muss.
2. Lasst euch nicht überrumpeln
Dies gilt vor allem bei etwas älteren Kindern. Diese haben oft die Tendenz, recht kurzfristig etwas von uns zu wollen:
“Du, kann ich in einer halben Stunde zu Miriam und dort einen Film schauen und mit ihr an eine Party gehen und dort noch übernachten?”
Eine solche Frage, kann und will man als Eltern oft nicht innerhalb von einer Minute beantworten.
Deshalb gilt: Grössere Aktivitäten, Anschaffungen, Wünsche brauchen oft ein bisschen Vorlaufzeit. Erklärt das euren Kids frühzeitig, damit sie euch nicht ständig mit spontanen Anfragen überhäufen.
Seid ihr trotzdem schon mal mittendrin, versucht gemeinsam einen Kompromiss zu finden.
3. Lasst euch nicht verunsichern
Kinder haben die Fähigkeit sich und ihre Anliegen meistens SEHR dramatisch in Szene zu setzen. Gerne benutzt werden dann auch die Sätze: “Aber ALLE dürfen, nur ICH nicht.” – “IHR seid ja soooo gemein. Das ist wieder typisch für euch. ALLES verbietet ihr. Hätte ich bloss andere Eltern, nettere.”
Nehmt solche Ausbrüche nicht persönlich. Auch wenn es manchmal verdammt schwierig ist. Damit versuchen die Kids nur, euch ein schlechtes Gewissen zu machen und euch gleichzeitig um den Finger zu wickeln. Oft haben sie auch die Erfahrung gemacht, dass es eben funktioniert und die Eltern dann halt nachgeben.
Ausserdem fragt mal nach, wer denn genau ALLE sind. :-) Fragt nach Namen, Telefonnummern und sagt euren Kids, dass ihr euch mal mit ALL diesen Eltern in Verbindung setzen werdet, um zu schauen ob IHR wirklich so daneben seid.
4. Kompromisse finden
Wenn wir gut vorausgeplant und die Dinge vorher abgemacht und klar gestellt haben, brauchen wir gar nicht mehr so viele “Nein’s”
Trotzdem müssen wir aber immer mal wieder Wünsche, Vorschläge, Ideen von unseren Kids ablehnen, vor allem eben wenn sie recht spontan sind.
Es kann aber nie schaden, wenn man sich vor dem grossen “NEIN”, kurz überlegt:
“Warum will ich das nicht? Warum darf mein Kind das jetzt nicht machen?”
Es ist nämlich oft so, dass wir schon so ein bisschen auf dieses “Nein” programmiert sind. Wir sagen einfach “Nein” weil, ehmmm ja einfach weil, hmmmm…”, weil wir das immer sagen, wir es auch eigentlich gar nicht so genau wissen oder halt weil wir eine fixe Vorstellung haben wie es sein sollte.
Manchmal sind wir vielleicht auch nicht GRUNDSÄTZLICH dagegen:
– Mit dem Ball spielen ja – aber dann draussen.
– Zur Freundin gehen – aber nach dem Nachtessen wieder nach Hause kommen.
– Schoggi essen – aber erst nach dem Mittagessen.
– Musik hören – aber in Zimmerlautstärke oder mit dem Kopfhörer.
Bei einem einsamen, nackten “NEIN” ist deshalb oft der grosse Konflikt vorprogrammiert. Deshalb kann es hilfreich sein, wenn ihr das “NEIN” eher als “Gegenvorschlag” formuliert. :-)
Wenn die Kinder etwas älter sind, muss man immer wieder Kompromisse eingehen. Seine Bedenken äussern, den Rahmen abstecken und dann zusammen schauen, ob und wie man sich findet.
Ja, und manchmal findet man sich eben nicht, ein Kompromiss bleibt aus. Dann ist ein “Nein” zwar begründet, aber es ist ein “Nein”.
Und dann sind wir dann halt:
“Blöd und fies und die doofsten Eltern der Welt.
Und ALLE anderen haben viel bessere Eltern und viel nettere.
ALLE andern haben das!
ALLE anderen dürfen das!”
Und dann seid ihr am besten einfach still.
Schmunzelt leise vor euch hin und denkt:
“Ok mein Kind.
Ist angekommen.
Ich hab’s kapiert.”