Wir Eltern meinen es immer sehr gut mit unserem Nachwuchs. Deshalb reden wir auch immer so viel. Kommentieren, lamentieren, moralisieren, predigen und geben den Kids die Antworten meistens vor. Besonders in Situationen, in denen die Kinder wütend oder frustriert sind, gerade nicht weiter wissen, wenn sie Streit haben oder sich über andere ärgern.
Das klingt dann jeweils etwa so
Kommt ein Kind vom Spielplatz und schimpft:
“Mami, die lassen mich nie auf die Rutsche.”
Sagt die Mutter:
“Du musst dich halt wehren, du musst dich halt durchsetzen, du musst dich halt vordrängen. Du musst halt dies oder jenes tun.
Nett gemeint – ein guter Ratschlag eben.
Zwei Geschwister streiten im Kinderzimmer um ein Spielzeug:
“Maamiii. Das ist aber mein Traktor. Ich habe ihn zuerst gehabt. Ich will ihn wiiieder haben.”
Sagt die Mutter:
“Ach herrje. Müsst ihr immer nur streiten! Jetzt gib ihm diesen Traktor halt wieder, du kannst ja den anderen nehmen. Das ist doch nicht so schwer. Jetzt lass ihm einfach mal seine Spielsachen, du kannst ja deine nehmen.
Nett gemeint – ein guter Ratschlag eben.
Das Kind kommt von der Schule nach Hause
“Voll gemein. Alexa hat einfach nicht auf mich gewartet. Ich musste alleine nach Hause gehen. Blöde Kuh. Morgen werde ich auch nicht auf sie warten. Selber Schuld.”
Sagt die Mutter:
“Du hast vor 2 Wochen auch mal nicht auf sie gewartet. Jetzt benimm dich nicht so störrisch. Kannst sie ja morgen fragen was los war.”
Nett gemeint – ein guter Ratschlag eben.
Was soll jetzt daran falsch sein sein? fragt ihr euch vielleicht jetzt.
Eltern müssen doch den Kindern helfen, ihnen Tipps und Ratschläge geben, ihnen sagen, was sie machen sollen?
Ja, das stimmt. Aber eben nicht immer.
Es gibt ganz viele Situationen, in denen die Kinder selber nach einer Lösung suchen können und meistens dann auch eine finden. Wir Eltern müssen nicht immer den Lösungsvorschlag auf den Tisch legen. Wir können die Kinder nämlich auch immer mal wieder nach möglichen Lösungen fragen:
“Was könntest du denn jetzt tun?”
“Hast du eine Idee?”
“Was könntest du Alexa denn jetzt sagen?”
“Was könntet ihr tun, wenn ihr BEIDE den gleichen Traktor haben möchtet?”
“Hmm, was könntest du denn jetzt tun, wenn sie dich nicht auf die Rutsche lassen? “
“Wie könnt ihr dieses Problem denn jetzt lösen?”
Solche Fragen und Gegenfragen regen Kinder nämlich an, selber das “Problem” zu lösen und selber eine Alternative zu finden. So ein bisschen nach dem Motto: Hilf mir, es selbst zu tun. Wenn Kinder selber nach Lösungen/Alternativen suchen und diese auch finden, schaffen sie es oft besser, Konflikte zu lösen, weil es eben ihre Idee war.
Wenn sie mal keine Idee haben, dann können wir ihnen immer noch einen Tipp geben oder ein bisschen helfen: “Wie wäre es, wenn du zum Beispiel?…”, könnte da eine mögliche Frage sein.
Wenn die Kinder noch klein sind, brauchen sie dabei noch etwas mehr Hilfe, wenn sie grösser sind, dann klappt das meistens schon ganz gut. (Übungssache!)
Es gibt auch Situationen, in denen wir Eltern manchmal gar nicht, was wir sagen sollen. Vielleicht können, wollen wir keinen Vorschlag machen, keine Lösung präsentieren. Oder wir wissen eben selber auch keine. (Ja, auch das kommt durchaus vor). Vielleicht weil wir den Streit nicht mitverfolgt haben, die Situation nicht genug kennen oder vielleicht auch, weil wir das “Problem” gerade nicht so recht nachvollziehen können.
Auch hier kann man mit einfach Fragen und Gegenfragen, die Kids dazu bringen, selber eine Lösung zu überlegen. Als Einstieg kann man zum Beispiel auch mal fragen:
“Kann ich dir irgendwie helfen?”
“Was kann ich für dich tun?”
“Brauchst du dazu meine Hilfe?”
“Was genau möchtest du von mir?”
Beispiel gefällig? :-)
Die Tochter will etwas kopieren. Dem Gefluche und Geschimpfe nach zu urteilen, läuft etwas schief:
“So ein Scheiss. Dieser Scheissdrucker. Der will mein Scheissblatt nicht kopieren. Da hat es immer so Scheiss-Streifen auf dem Blatt. So ein Scheiss. Ich brauch das Scheissblatt für die Schule” usw.
Man könnte diese Situation:
1. Ignorieren
Das Kind würde noch lauter schimpfen, so lange bis einem der Kragen platzt und man laut schimpfen, zurück schreit: “Gopfriedstutz! Musst du eigentlich immer fluchen und schreien! Das ist voll nervig. Jetzt hör mal endlich auf. Du musst auch nicht immer alles in der letzten Sekunde machen. Das ist wieder typisch. Hättest es ja schon letzte Woche kopieren können. Immer machst du alles auf den letzten Drücker. Du musst halt den Drucker einmal ausschalten, dann ein bisschen warten, dann schaust du, ob es noch genug Toner hat und ob du eine Fehlermeldung siehst.” blablabla
2. Schimpfen, predigen, dem Kind sagen wie immer sagen was es tun soll
Also eigentlich wie bei Punkt 1, nur ohne ignorieren :-)
“Gopfriedstutz! Musst du eigentlich immer fluchen und schreien! Das ist voll nervig. Jetzt hör mal endlich auf. Du musst auch nicht immer alles in der letzten Sekunde machen. Das ist wieder typisch. Hättest es ja schon letzte Woche kopieren können. Immer machst du alles auf den letzten Drücker. Du musst halt den Drucker einmal ausschalten, dann ein bisschen warten, dann schaust du, ob es noch genug Toner hat und ob du eine Fehlermeldung siehst.” blablabla
3. Fragen, ob man helfen kann
Wenn das Kind kurz Luft holt, einfach rasch fragen:
“Du, brauchst du meine Hilfe?
Kann ich dir irgendwie helfen? Ja? Was könntest du denn tun, wenn du meine Hilfe brauchst?”
Versteht ihr was ich meine?
Die Kinder werden lernen, dass es für viele Problemsituationen Lösungen gibt und dass sie selber diese Lösungen auch finden können.
Natürlich kann man das nicht immer so machen.
Muss man auch nicht.
Manchmal ist man selber gereizt, müde, hässig, genervt. Man mag grad gar nichts fragen, nichts hören, auch nicht diskutieren. Da fällt man dann halt wieder ins “Polizisten-Muster”, man predigt, weist die Kinder zurecht und sagt ihnen, was sie jetzt gefälligst machen sollen.
Also: Wenn ihr’s am Montag grad nicht schafft, dann einfach am Dienstag wieder einen Anlauf nehmen. Oder am Mittwoch.
Probiert es einfach mal aus.
Ein Kommentar
Gerade unter Zeitdruck reagiert man schnell mit den “netten Ratschlägen” – weil man das Problem schnell vom Tisch haben will. Das passiert mir auch immer wieder. Eine gute Gelegenheit, sich mal wieder selbst zu hinterfragen. Besonders die ganz praktischen Beispiele in Deinem Artikel finde ich sehr hilfreich.