Über die Kunst eine Familie zu werden

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Dass es streng würde, das wusste ich.
Und schliesslich wurde ich ja auch von allen Seiten, auch der kinderlosen, ausdrücklich und ständig davor gewarnt:
«Hui! Zwei kleine Kinder. Und dann so wenig Abstand voneinander? Das wird dann aber streng.»

«Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, die bekam deshalb ein Burnout und einen Milchstau und Ausschläge und Streit mit dem Mann.»

«Das zweite Kind ist dann immer anstrengender als das erste. Und es weint mehr. Und schläft noch weniger.»
Die üblichen Horrorgeschichten, ihr kennt das sicher.
Aber die Hormone haben damals dafür gesorgt, dass ich mich trotzdem recht gut vorbereitet gefühlt habe, denn:

«Wer ein Kind hat, der schafft es ja locker auch mit zwei!»

Und dann plötzlich ist es Realität:

Zwei kleine Kinder.
Viel zu wenig Schlaf.
Ein dünnes Nervenkostüm.
Ein sehr unruhiges, immer hungriges Baby.
Ein eifersüchtiges Geschwisterkind.
Chaos im Haushalt.
Keine Zeit mehr, für nix.
Die Frisur und die Figur, beides nur noch so mittelmässig.
Hormonschübe.
Gefühlschaos zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.
Und dann gibt es da noch:

Das schlechte Gewissen

«Jetzt hab ich doch alles!»
«Ich wollte es doch so.»
«Warum hab ich denn jetzt keine Lust, den ganzen Tag Freudentänzchen aufzuführen?»
«Andere Paare wünschen sich Kinder und bekommen keine und ich mach hier so ein Drama.»
«Du hast nur zwei Kinder. Es gibt Familien die haben 5 oder 7.»

Auch wenn das Glück, die Freude und die Liebe zu den Kindern übermächtig war, klopfte doch ständig der Zweifel, die Unsicherheit und die Angst an die Tür.
War es die richtige Entscheidung?
Hätte das zweite Kind nicht noch ein bisschen warten können?
Werde ich jemals wieder Zeit für mich haben?
In meine alten Klamotten passen?
Ausschlafen können?
Hab ich denn wirklich genug Nerven, Gelassenheit und Energie mit zwei kleinen Kindern den Alltag zu meistern?
Kann ich ihnen stets ein gutes Vorbild sein und sie auf dem Weg zu glücklichen, selbstständigen Menschen begleiten?

Nein, ich habe nicht alles richtig gemacht

Ich war manchmal laut und launisch.
Ungerecht und aufbrausend.
Ungeduldig und unzufrieden.
Ich war übermüdet, scheinbar am Ende meiner Kräfte.
Gestresst und am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
Ich war unsicher, traurig und manchmal auch schockiert, wie mich zwei kleine Menschlein so herausfordern konnten.
Manchmal hab ich geweint, weil ich einfach mit allem überfordert war und mich genau so verhalten habe, wie ich es doch niemals wollte.

Nein, es war nicht alles perfekt

Aber ich bin an der Aufgabe gewachsen.
Habe gelernt auf mein Bauchgefühl zu hören, Dinge ausprobiert, mir immer wieder den Spiegel vorgehalten. Gemerkt, dass es auch mit etwas weniger Perfektionismus funktioniert. Habe gelernt dass «weniger manchmal mehr ist», dass man auch gut Hilfe annehmen kann, dass man Lebensmittel auch sehr gut online einkaufen und nach Hause liefern kann, wie wichtig kleine Auszeiten sind und dass man diese planen muss, damit sie nicht vergessen gehen.
Ich habe gelernt durchzuatmen, durchzuhalten, nicht alles so persönlich zu nehmen, den Fokus auf das Positive zu legen, die Welt immer wieder mit Kinderaugen zu sehen und eine grosse Portion Gelassenheit in meinen Alltag zu integrieren. Ich habe aufgehört mich und die Kids mit anderen zu vergleichen, bin mit offenen Augen und Ohren durch die Welt gegangen und habe versucht, den gesunden Menschenverstand im Familienalltag nicht zu vergessen…

Die Kleinkinder-Phase ist bei mir schon ein paar Jährchen her und wenn ich so zurück schaue, dann auch immer mit etwas Wehmut, denn geblieben sind vor allem die wunderbaren Erinnerungen.
Die schlaflosen Nächte, die unglaublich anstrengenden Trotzmomente, die Streitereien, Krankheiten, das alles verschwimmt mit den Jahren. Vieles wird einfacher, wieder besser planbar. Es gibt mehr Freiräume, etwas mehr Ruhe, wieder mehr Zeit für sich.

Als Eltern ist es normal, immer wieder an seine Grenzen zu stossen, manchmal auch zu scheitern, zu zweifeln, unsicher und traurig zu sein, Angst zu haben.
Es ist normal, weil man als Laie in diese grosse Aufgabe startet, weil es so viele unterschiedliche Möglichkeiten gibt, den Alltag mit Kindern zu gestalten.
Es ist normal, weil die Herausforderung riesig ist und weil sie so viele Facetten hat.

Also:
Lacht und weint, scheitert und steht wieder auf, streitet und versöhnt euch, haltet euch den Spiegel vor, schaut vorwärts aber auch mal zurück, bleibt nicht stehen, stolpert aber nicht über zu hohe Erwartungen, fokussiert euch auf die guten Momente, lernt aus den schlechten, gebt Wurzeln, aber auch Flügel denn:
DAS ist Familie.

♥ Danke fürs Teilen ♥

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