Liebe Isabella
Wie geht es dir und deinem Buben?
Oh ja, ich kann deine Gefühle sehr gut nachvollziehen. Ich weiss, es ist perfid: Die meisten Leute reagieren unsicher, gehemmt auf einen zuckenden, räusperden Buben. Da kommen z.T. Kommentare die einen traurig stimmen und über die man weinen könnte
Bevor du dir die Schuld in deine Schuhe schiebst, seine Ticks (meinst du nicht eher Tics? oder eher Zwänge?) sind keine Erziehungsfehler deinerseits/eurerseits! Du hast nichts falsch gemacht!
Warum ich da so sicher bin?
Ich hab auch einen 9-jährigen Bub zu Hause, der seit bald 4 Jahren Tics hat. Mal ist es Schulterzucken, mit dem Kopf heftig nicken, Händeschütteln beidseits. Letzten Sommer sind auch verbale Tics dazu gekommen wie räuspern, wiehern, gurren etc.
Ich hab gesucht und gesucht. Bei mir, bei meinem Mann, im Internet, in Fachzeitschriften. War mit ihm beim HNO-Arzt, beim KJPD, beim Kinderarzt und schlussendlich im Kispi St. Gallen für ein Enzephalogramm. Was ist rausgekommen? Nichts. Ein gesunder, motorisch tipp-topp entwickelter Bub.
Bis ich mir sagte: So jetzt ist genug, ich schlepp meinen Buben nirgends mehr hin. Ich nehm ihn so wie er ist. Im Vertrauen drauf, dass „es“ mit der Zeit auswächst. Ich hab ihm nie Medis gegeben und hab gelernt auf ihn und mich zu vertrauen. Ausserdem hab ich das Zweifeln an mir als Mutter mit meinem mir selbst eingeredeten schlechten Gewissen „no-dis-no“ abgelegt.
Die Tics waren natürlich immer noch da.
Ich hab mich dann aber „intensiv“ mit meiner Familiengeschichte auseinander gesetzt. D.h. ich bin immer noch drann! Anfänglich wollte ich eine Familienaufstellung machen gem. Bert Hellinger. Hab mich dann aber wieder davon entfernt und mach jetzt mit einer guten Bekannten Familienbiographiearbeit. Die Biographiearbeit hat mich selbst weiter gebracht. Zumal in unserer Familie (also Herkunftsfamilie väterlicherseits) während des 2. Weltkrieges Dinge passiert sind, die ich zwar nicht miterlebt habe die aber während meiner ganzen Kindheit über (Erzählungen) präsent waren. Auch heute noch kommen sie oft wieder hoch. Und ich glaube, dass sie tief im Unterbewusstsein schlummern. Und ich war schon vor der Familienbiographiearbeit überzeugt, dass unser Bub unbewusst Dinge von unserer Familie mitbekommen hat, für die er jetzt, alle die dieses Thema unter den Teppich gekehrt haben, Dinge „ausbaden“ muss. Oder für die er innerhalb der Familie das Kreuz tragen muss. Ach, es tönt so wirr. Glaub mir. Mit Esoterik hab ich überhaupt nichts am Hut. Ich bin ziemlich gläubig. Aber er muss es nicht allein ausbaden, ich bin ja auch noch da. Und ich helf ihm dabei.
Ich finds sehr interessant, dass dein Sohn Craniosacral-Therapie ablehnt und auch nicht zur Kinesiologie gehen will. Würd ich persönlich auch nicht hingehen. Er weiss was er braucht und was er nicht braucht. Und anscheinend täten ihm diese Dinge auch nicht gut.
Die Einzige die ihm helfen kann, bist du. Ev. alleine oder zusammen mit deinem Mann. Grad wenn du sagst, dass er seinem Vater sehr ähnlich ist, währ vielleicht eine Familienaufstellung/Biografiearbeit gut.
- Klär das Ganze mal mit dem Kinderarzt ab. Ob dein Bub körperlich i.O. ist oder ob ihm körperlich irgendetwas zu Schaffen macht. Ev. Schmerzen?
- Erziehungstechnisch:
Na ja, mal geht’s einem sehr auf dem Wecker, mal kann man gelassen reagieren
- Sag ihm immer wieder wie lieb du ihn hast und vielleicht findet ihr beiden zusammen am Abend (am Besten freischaufeln und den anderen Familienmitgliedern auch so verklickern), dass du dir bewusst Zeit für ihn nimmst. Mit einer Geschichte vorlesen, Massage. Er erlebt den ganzen Tag in einer dermassen grossen Spannung, dass du ihm ev. Abends helfen musst, da runter zu kommen.
Ich wünsch dir viel Kraft. Und du bist auf dem richtigen Weg, indem du dir Gedanken machst. Dich stellst und nicht einfach die Augen verschliesst und ignorierst. Weißt du, ich glaube, dass dich dein Bub ausgewählt hat als Mutter so wie sich auch mein Bub mich ausgewählt hat als Mutter. Wir nehmen ihr „Problem“ wahr und ernst. Das macht uns deswegen nicht zu bessern Müttern aber sie wissen, dass wir zu ihnen stehen und dass wir vielleicht die Einzigen sind, die endlich mal hinschauen und ev. seit Jahren zerstrittenes, schmerzendes auflösen können?
Sorry für die wirren Worte! Ist halt schon etwas spät!
lg jac