“Jöööh. Das ist aber eine süsse Bohne!”

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Das Kind eingenickt über dem Teller mit Spaghetti.
Der kleine Knirps mit Schaum auf dem Kopf in der Badewanne
Noémi mit rotem Trotzkopf im Sandkasten.
Tobias mit der Schultüte.
Felicitas mit dem Engelskostüm vor der Geburtstagstorte.
Patrick beim Mittagsschlaf.
Silvana und Felix auf dem Pony.
Jaja. Herzige und zuweilen auch lustige Fotos gibt es von unseren Kinderlein. Und immer häufiger, landen diese privaten Bilder nicht in Fotobüchern, sondern in Facebookprofilen und in den diversen Facebook-Gruppen. Ganz öffentlich für jeden sichtbar, jeder kann sie kommentieren, teilen, bei sich abspeichern, als Hintergrundbild benutzen, ausdrucken oder dem Hans-Werner schicken.
Kinder mit Hut und ohne, als Clown, beim Wurst bräteln, in der Waldspielgruppe, einmal nur mit Windeln, mit rosa Schleife im Haar, mal zerzaust. Kinder in Taufkleidern, auf Bobbycars oder beim Glacé essen.
Und immer mal wieder gibt es in den zahlreichen Facebookgruppen lustige Aufrufe wie:
“Zeigt doch mal eure Kids beim Schlafen” oder: “Welches ist die lustigste Grimasse eures Kindes?” und dann wird fröhlich darauf los gepostet.
Sie sind ja auch wirklich zuckersüss diese Baby- und Kinderfotos. Zum dahinschmelzen. Das stimmt.
Aber will man die wirklich mit allen Leuten die man nicht kennt, teilen? Und möchten die Kinder wirklich, dass ihre mehr oder weniger lustigen Kinderschnappschüsse regelmässig in Mamigruppen erscheinen?

Ja, wer mag es nicht, wenn das Bild des eigenen Nachwuchses mit: “Jööö, ist der süss, OMG! Wie goldig! Hast du aber ein hübsches Kind!” kommentiert wird? Das tut gut und macht uns stolz und man tut es dann wieder und wieder, wird vielleicht fast ein bisschen süchtig danach. Nach dieser Anerkennung, dieser virtuellen Streicheleinheit.
Wenn man so alleine vor dem Computer oder dem Handy sitzt, kann es passieren, dass man vielleicht nicht so recht daran denkt, an wen man denn diese Kinderbilder eigentlich GENAU schickt oder WER diese zu Gesicht bekommt.
“Mo-Nie”, die “Kala-Mehrsagichnicht” mit dem Bambiprofilbild, “Babsi-Schnapsi” mit dem lustigen Regenbogenavatar und “Zucker-Schnüt-chen”.
Man kennt sich ja – aus Facebook.
Mit dem Bilder Hochladen ist es meistens nicht getan. Oft postet man dann ja auch noch gleich ein paar lustige Kommentare und den Namen des Kindes dazu:
“Noah, mein Hosenscheisserchen”
“Priska, mein süsses Mäuschen.”
“Felix, der Frechdachs.”
“Tamara, mal wieder über dem Essen eingepennt.”
“Samantha, in ihrem Chaos-Zimmer.”
“Meine Zicke Paola.”

Es ist ein schwieriges, emotionales Thema, das geb ich zu. Und immer wenn “Babyfoto-Posterinnen” und “Babyfoto-Gegenerinnen” aufeinander treffen dann knallt’s. Gruppe A kann nicht verstehen, was Gruppe B denn jetzt gegen die Fotos hat. Gruppe B versteht nicht, warum Gruppe A ihre Bedenken nicht teilt. Jeder motzt jeden an, es wird scharf geschossen, beleidigt, dann wird der Post gelöscht und am nächsten Tag postet das nächste Mami, das nächste Bild.
Tag für Tag.
Wer Eltern sensibilisieren und sie darauf aufmerksam machen möchte, sich doch mal ein paar Gedanken zu der “Kinderbilderposting-Sache” zu machen, der scheitert grandios. Eine sachliche Diskussion ist praktisch unmöglich.
Die Meinungen sind gemacht und da ich viel auf sozialen Plattformen, in Foren und in Facebookgruppen unterwegs bin, lese ich  immer und immer wieder die gleichen Argumente, warum das Posten von Baby- und Kinderfotos in sozialen Netzwerken doch totaaal normal und OK ist.
Hier mal eine Auswahl der häufigsten Kommentare und meine Gedanken dazu:

1. Ist doch meine Sache, ich entscheide was ich poste und wenn ich das verantworten kann, warum nicht?
Postet man Bilder von sich selber, dann ist die Aussage korrekt. Jeder entscheidet selber, ob ER dieses Foto von SICH mit der Bierflasche, der lustigen Perücke oder im neuen Bikini posten will.
Aber: Nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder haben das Recht am eigenen Bild. Bis Kinder zwölfjährig sind, sind sie rechtlich nicht urteilsfähig und die Eltern entscheiden für sie.
Und deshalb sollte man sich immer mal wieder die Frage stellen: Ist das ok, wenn ich dieses Bild von meinem Kind poste? Wahre ich damit die Rechte meiner Kinder? Nehme ich meine Verantwortung genug ernst? Muss das jetzt wirklich sein?

2. Wir sind ja hier in einer geschlossenen Gruppe
Im Internet ist nichts “geschlossen”. Das Internet ist öffentlich. Auch wenn man in einer geschlossenen Gruppe zuerst eine Anfrage stellen muss, kann man nicht davon ausgehen, dass alles in einer Gruppe auch dort bleibt. Viele Gruppen erlauben ihren Mitgliedern auch, selber andere Leute hinzuzufügen, es braucht also nicht mal einen Administrator, der die Anfrage bestätigt.
Fakeprofile zu erstellen ist ganz leicht und wer sich Zugang zu Kinderbildern verschaffen will, der bastelt sich rasch ein Profil, lässt sich in eine Mamigruppe einladen und kann dann gemütlich die badenden, kichernden und schlafenden Kinder anschauen, abspeichern, abändern, in andere Gruppen teilen, verschicken oder ausdrucken.

3. Auf dem Spielplatz oder im Schwimmbad kann man ja mein Kind auch fotografieren und die Bilder dann ins Internet stellen!
Stimmt.
Was würdet ihr aber tun, wenn ihr einen Fremden beobachten würdet, der euer Kind einfach so auf dem Spielplatz fotografiert? Würdet ihr ihm das erlauben?
Eben.

4. Was ist denn schlimm daran, wenn ich diese Bilder poste? Ist ja nichts Unanständiges dabei, die Bilder sind doch herzig.
Stimmt auch.
Herzig sind sie, ohne Frage. Aber würdet ihr diese Bilder auch ausdrucken und in den grössten Bahnhofsunterführungen des Landes aufhängen, so dass sie jeder anschauen, kommentieren oder mitnehmen kann?
Eben.

5. Müsst ihr eigentlich immer alles schlecht machen? Lasst doch den Leuten diese Freude, ist doch toll wenn sie auf ihre Kinder stolz sind. Leben und leben lassen.
Stimmt. Stolz sein ist prima. Kinderfotos zeigen auch.
Und deshalb gibt’s dafür diese tollen Fotobücher. Dort kann man die passenden Bilder rein stellen und das Buch dann den Leuten in die Hand drücken, denen man vertraut und die man kennt. Omi und dem Opi, Nicole der Patentante oder Schwiegermutti. Wenn sie eine nette ist…

6. Meine Kinder stört das nicht, wenn ich hier Fotos poste.
Wenn sie erst ein paar Monate oder Jahre alt sind, dann vielleicht nicht, weil sie noch nicht abschätzen können, was das genau für sie bedeutet.
Aber fragt die Kinder mal, wenn sie dann in der Pubertät sind…

7. Ich kann die Bilder ja dann wieder löschen, wenn es meine Kinder stört.
Stimmt nur bedingt.
Ist ein Bild von einer Facebookseite oder einem Blog gelöscht, dann ist es eben immer noch da. Man findet es auf der Webseite vielleicht nicht mehr, in der Google Suche taucht es aber immer noch auf, weil es indexiert oder manchmal auch auf anderen Webseiten hinterlegt wurde.
Will man ein Bild z.B auf einem Blog oder einer Webseite entfernen, dann muss man zuerst das alte Bild mit einem neuen Bild überschreiben. Das alte Bild danach umbenennen und erst dann, kann man das Bild löschen. Ein recht komplizierter Vorgang.

Ich geb’s zu. Ich hab auch Bilder von meinen Kids veröffentlicht. Zum Teil findet man die auch noch im Netz. Ich hab das damals eigentlich mehr so aus einer Not heraus gemacht, weil ich Kinderbilder zu verschiedenen Blogthemen brauchte. “Prima, ich hab ja selber Kinder, nehm ich doch gleich ein paar von denen, denn die Fotodienste sind ja schliesslich teuer”. So hab ich damals gedacht. Natürlich habe ich darauf geachtet, welche Bilder ich verwende. Ich hab sie als Artikelbilder verwendet und sie auch nicht kommentiert oder zur Belustigung in Gruppen gepostet. Damals, als der Elternplanetchen noch ein ganz kleiner Mini-Blog war, war mir das auch nicht so richtig bewusst und ich hab mir damals auch zu wenig überlegt.
Deshalb habe ich vor kurzem damit angefangen, diese Bilder auszutauschen, denn diese zu löschen, ist eben nicht so einfach. Bis das abgeschlossen ist, dauert es noch eine Weile.
Ein paar Bilder werden sicherlich bleiben, nämlich die, welche für die Kids ok sind und für die ich ihr Einverständnis habe.

Vielleicht ist euch die ganze Diskussion egal, vielleicht wollt ihr euch damit nicht beschäftigen, vielleicht bleibt ihr auch bei eurem Standpunkt: “Mir schnurz, ich poste diese Kinderbilder, da könnt ihr euch alle auf den Kopf stellen, um den Eiffelturm tanzen oder mir die Schwiegermutter auf den Hals hetzen. Das beeindruckt mich nicht. Voilà”
Vielleicht habt ihr euch aber auch noch nicht so wirklich mit dem Thema beschäftigt oder seid in diese “Kinderbilder-Posterei” einfach so reingerutscht. Vielleicht wisst ihr aber auch nicht genau, WIE ihr das denn in euren Profilen einstellen könnt, damit nicht grad die halbe Facebook-Welt eure Knirpse in den Badehosen und beim Kuchen backen sehen kann.
Also:
Wer zwar Bilder posten, aber eingrenzen möchte, WER diese Bilder dann auch sehen kann, der nutzt die Listenfunktion. Das heisst, man erstellt verschiedene Listen (z.B Familie, Freunde, Arbeit, Nachbarn) und steckt alle seine Freunde dann in diese Listen. Postet man ein Foto von seinem Kind, das gerade einen Regenwurm ermordet, eine Vase runtergeschmissen oder die Feuchttücherpackung auf dem Wohnzimmerteppich ausgeleert hat, dann kann man genau eingrenzen, welche Liste (also welche Personen) dieses Foto zu sehen bekommen. (Öffentlich/Freunde/Freunde ohne Bekannte/Nur ich/Benutzerdefiniert)
Man kann/soll auch sein Profil so einstellen, dass nicht jeder Heini einfach auf die eigene Chronik und die Fotoalben zugreifen kann.
Ist eigentlich total einfach, nur leider wissen das die Meisten Mamis und Papis nicht.
Hier gibt’s eine einfache Anleitung dazu.

Auch dieser Artikel wird die meisten Eltern wohl nicht davon abhalten, weiterhin Baby-, Kinder- und Jugendfotos in allen möglichen und unmöglichen Situationen zu veröffentlichen, das ist mir bewusst und da mache ich mir auch nichts vor.
Man kann nur hoffen, dass sich der Trend wirklich bewahrheitet und die Kids von heute und morgen, Facebook immer weniger cool finden und von der Plattform fernbleiben. Die meisten Kids würden wohl ziemlich erschrecken, wenn sie eines Tages sehen würden, welche und vor allem wie viele Baby- und Kinderbilder ihre Mamis und Papis gepostet haben.

Zum Schluss noch dies:
Wie in vielen anderen Situationen, geht es auch bei diesem Thema darum, dass wir Eltern ein Vorbild sind.
Wie wollen wir unseren Kids den sorgsamen Umgang mit persönlichen Daten im Internet beibringen, wenn wir das Leben der Kinder schon vorher quasi lückenlos online gestellt haben?
Das zu begreifen, dauert bei den Meisten wohl noch ein Weilchen. Und bis dahin werden noch -zig Tausend Kinderbilder in die verschiedenen Facebookgruppen gepostet werden.

Leider.

♥ Danke fürs Teilen ♥

Ein Kommentar

  1. Ich denke du hast zu Teilen Recht. Es kommt das Alter, da sollte das Kind gefragt werden ob es das möchte. Wann das losgeht, kann ich noch nicht sagen. Meine Tochter ist 6, ich werde jetzt schon zögerlicher und würde immer nur Fotos posten von denen ich glaube, dass sie da gut wegkommt ;-) Insofern halte ich es für übertrieben den Teufel an die Wand zu malen und das Drama heraufzubeschwören. Es sind auch schon Fotos von Rossmann geklaut worden und in fremde Hände geraten. Da war sicher mehr Zeug dabei das niemals an die Öffentlichkeit hätte kommen sollen ;-) Und Name und Anschrift standen auch noch mit drauf….
    Aber ja, die jugendlichen Kinder mit eigenem Facebookaccount zu posten – da gehe ich mit, das geht gar nicht. Aber Kinderfotos (nicht unbedingt auf dem Topf) – da hätte ich selbst auch kein Problem damit. Wenn also meine Mutter auf die Idee kommt das mal einzustellen – nur zu!

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