Kollektivstrafen sind doof und unnötig

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Stellt euch folgendes vor:
Ihr seid auf der Autobahn. Ein Auto überholt euch mit mindestens 140 km/h (Für alle Nicht-Schweizer: In der Schweiz gilt auf Autobahnen die Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h). Ein paar Kilometer weiter, wird der Schnellfahrer von der Polizei aus dem Verkehr genommen. Aber nicht nur er, sondern gleich ALLE Autofahrer, ihr also auch, werden zur Seite gewunken und bekommen eine Busse. Also auch die, die nicht zu schnell unterwegs waren.
Voll fies, gemein, da will man sofort den Anwalt einschalten, stimmts? :-)

Oder:
Der Nachbar hat seine Rechnung für sein Zeitungsabo nicht bezahlt. Er bekommt also eine Mahnung. Aber nicht nur er, sondern gleich alle, welche diese Zeitung abonniert haben, kriegen eine. Auch die, die pünktlich bezahlt haben.
Voll fies, gemein, da will man sofort den Anwalt einschalten, stimmts? :-)

Und genau so geht’s ganz oft unseren Kids, wenn sie in der Schule sind:

Kevin schmeisst mit Schneebällen gegen die Fenster: Die ganze Klasse muss reinkommen.

Silvio, Lea, Franziska und Thomas quatschen die ganze Zeit im Unterricht: Die ganze Klasse hat keine Pause.

3 Jungs kommen zu spät: Die ganze Klasse muss nach Schulschluss noch 5 Minuten länger da bleiben.
2 machen Blödsinn im Französisch: Die ganze Klasse darf nicht ins Turnen gehen

Unsere Kids regen sich immer extrem darüber auf.
Und ich kann’s verstehen. Wirklich.
Diese Kollektivstrafen sind echt ______________ (hier ein beliebiges Schimpfwort einsetzen).
Ich will nicht sagen, dass es einer Lehrperson nicht passieren darf. Jeder hat mal einen schlechten Tag, ist müde, mürrisch, hatte vielleicht Krach mit dem Partner oder ist einfach nur genervt von den vielen, oft auch wirklich anstrengenden, Schülern. Wenn man da einmal so eine Kollektivstrafe in die Runde schmeisst, sagt ja auch niemand was. Ist mir als Lehrerin früher bestimmt auch einmal passiert.

ABER: Wenn dieses Kollektiv-Ding zum Standart gehört, wenn einfach immer nur das Motto gilt:
«Macht einer einen Scheiss, dann sollen alle dafür bezahlen!» dann finde ich das einfach unmöglich und auch kontraproduktiv.
Der oder die «Täter» werden damit noch mehr in den Fokus gestellt. Die Aufmerksamkeit liegt dabei auch ganz klar, auf dem negativen Verhalten. Und es entstehen so, gleich zu Beginn Gräben in der Klasse, die schnell auch zu Mobbing führen können.

Wenn bei uns Tochter A sich nicht an eine Regel hält, dann bekommt Tochter B ja auch nicht einfach automatisch eine logische Konsequenze aufgebrummt, nur weil sie halt eben zufälligerweise auch grad im gleichen Raum war.
Welchen Grund sollen Kinder haben sich gut zu benehmen, wenn sie ja sowieso bestraft werden?
«Kann ich mich eigentlich ja auch daneben» hat unsere Tochter lauch schon zu mir gesagt, «spielt ja keine Rolle, weil eh alle nachsitzen müssen».
Ganz unrecht hat sie da nicht.

Gerade wenn die Kinder noch klein sind, gibt es viele Dinge, die sie halt noch nicht so gut können. Wie still sitzen, die Hand hoch strecken und dann warten bis sie aufgerufen werden, sich konzentrieren, zuhören usw.
Da wäre es eben wichtig, genau hinzuschauen und dann gemeinsam mit den «Störefrieden» nach Lösungen zu suchen.
Wie das aussehen könnte, hat das Team von mit-kindern-lernen.ch hier im Video gut erklärt:

Kollektivstrafen sind in einigen Kantonen laut Volksschulgesetz sogar offiziell verboten

(Eine Liste des EDK, Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren) findet ihr hier.

Doch trotz Verbot, kommen sie täglich in vielen Schulzimmern vor. Immer und immer wieder.
Warum eigentlich?

Wird in der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen zu wenig auf Prävention geachtet?

Damit meine ich:
Was kann man als Lehrperson tun, damit sich Kinder und Jugendliche an Regeln halten?
Wie kann man eine gute Beziehung zu ihnen aufbauen?
Wie kann man sie unterstützen und den Fokus vor allem aufs Positive legen?
Haben Lehrer einfach zu wenig Zeit um genau hinzuschauen, was da vor, während oder nach dem Unterricht genau abläuft?
Fehlt ihnen das nötige Wissen, Werkzeuge um mit störenden Schülern und problematischen Situationen angemessen umzugehen?

Und dann stellt sich natürlich auch noch die Frage:
Kümmert es überhaupt jemanden, wenn Lehrer Kollektivstrafen aussprechen?
Wird das von Schulleitern oder Schulinspektoren kontrolliert und mit den Lehrern entsprechend diskutiert?
Hmm. So wie es aussieht, kann man diese beiden Fragen wohl mit “Nein” beantworten.

Was können wir Eltern tun, damit diese dämlichen Strafen aufhören?

Ich denke, hier hilft wirklich nur eines:
Unbequem sein und hartnäckig.
Immer wieder Feedback geben und zwar per Telefon oder an Elternabenden. Sich mit anderen Eltern zusammen schliessen und sich austauschen.

Vor allem auch, wenn es eben keine Kollektivstrafen gibt, dann einfach eine positive Rückmeldung geben. Wenn es Lehrer nicht kapieren, dann einfach mal das “Verbot” aus dem Volksschulgesetz zitieren, sich mit anderen Eltern zusammen tun und wenn nötig beim Schulleiter anklopfen.

Laut klopfen!
Und lange!

♥ Danke fürs Teilen ♥

Ein Kommentar

  1. TheSwissMiss am

    OH DANKE für diesen Bericht! Du kannst dir nicht vorstellen wie oft ich mich schon über solche Kollektivstrafen geärgert habe. Wie bei allen anderen Dingen auch die wir an den Schulen unserer Kinder nicht gut finden, denke ich auch, dass uns als Eltern vor allem eins bleibt: Wie du sagst eben unbequem und hartnäckig sein. Immer wieder darauf hinweisen, dass man damit nicht einverstanden ist und sich wenn möglich mit anderen Eltern zusammen tun. Wenn wir uns einfach nur daheim ärgern und nur hintenherum schimpfen, dann ändert sich daran gar nichts.

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